| Klappenbroschur: 12,00 € |
Jutta Weber-Bocks Erzählungen lassen uns Menschen begegnen, die in die Bitterzonen ihrer Träume vorgedrungen sind. Südliche Landschaften mit ihren herbsüßen Versprechungen bilden den Hintergrund. Reisen, Joggen oder Wandern bilden für meine Geschichten eine Art autobiographische Matrix. Diese Sub-Themen sind dabei mehr als bloße Kulisse – so zeigt sich der Mythos der Insel Rhodos in meiner Erzählung Feigenküsse durch die Frucht des Feigenbaumes: Sie drehte die Feige in ihrer Hand und brach die Haut am Blütenansatz auf. Das Fruchtfleisch quoll heraus, öffnete sich ihrem essenden Auge, die roten Fäden mit den kleinen Kernen lockten den Mund, dann benetzte die süße Flüssigkeit erneut ihre Zunge. Laufend gute Ideen haben – davon träumen viele Schriftsteller. Für Jutta Weber-Bock kein Problem: Die besten Ideen kommen der Autorin beim Joggen. Oft geht es in den Geschichten von Jutta Weber-Bock um problematische Beziehungen und darum, dass die Charaktere noch zögern, sich aus ihren beengenden Lebensumständen zu befreien. Die Schriftstellerin erzählt unprätentiös und gekonnt von der inneren Zerrissenheit ihrer Hauptpersonen.
Rezensionen:
Birgit Biel:
Zwischen der Süße reifer Feigen und elektronischem Harem ... Wie kann man Liebe gewinnen, Liebe leben, Liebe geben, ohne in zerstörerische Abhängigkeiten zu geraten, ohne seine Würde zu verlieren? In 20 Erzählungen, teils älteren, teils erstmalig veröf-fentlichten, wird diese Thematik bis zu ihren Extremen ausgelotet: All die Petras, Katjas, Sonjas, ja, auch die türkischen Sevgis oder Zeyneps, sie sind Teil auch von uns, und die Momente von paradiesisch anmutender mediterraner Harmonie sind so kostbar, so zerbrechlich, wir wissen ja doch selbst, wie bitter die Süße reifer Feigen sein kann – und haben doch alle auch schon ge-träumt von den Möglichkeiten eines "Electronic Harem“ … Immer nur die Geliebte sein können und gleichzeitig wissen, dass das Leben als Ehefrau die Liebe töten würde: Ernüchternd ist letzt-lich dieser ewige Kampf der Frauen, die in Dreiecksgeschichten stecken, beneidenswert ihr Weg des Reisens als Hoffnung auf Befreiung und Neubeginn. Aber dann erlebt man über alle kulturel-len Unterschiede hinweg ihre Trauer über unerfüllte Wunschträume, das Leid aus Irrtümern und Täuschungen, die umso schwerer wiegen, als sie in der idealtypischen südlichen Landschaft Sehnsüchte gegen alle Erwartung zunichtemachen. Ganz starke Bilder entstehen da in der Ver-knappung von Sprache, in der überraschenden Verbindung scheinbar unvereinbarer Bereiche. Sie ziehen uns unweigerlich in die Seelenlage dieser Frauen hinein, obwohl wir doch alle gern Erfahrungen dieser Art verdrängen würden. Haben ‚die Männer‘ Schuld? Ein Buch nur für Frau-en? Zweifellos eine weibliche Sicht auf Beziehungen, typisch weibliche Lösungsansätze, die die Wege ausreizen bis zum traurigen Sarkasmus derer, die in scheinbarer Freiheit ganz cool die heutigen medialen Möglichkeiten nutzen. Und doch scheint das Ziel all dieser Episoden zu sein – ob durch das Reisen, durch das Laufen, durch Auseinandersetzung mit dem verstörend Anderen - , das Glück zu finden, das doch nie von Dauer sein kann; geliebt zu werden, ohne zu wissen, was Liebe eigentlich ist – oder muss man erst das Geheimnis des "Brunnenhauses" aufdecken lernen? Und so bricht sie denn immer wieder ein, die Novemberkälte "In jenen Tagen" … Ganz starke Geschichten!
Zitat:
Wie kann man Liebe gewinnen, Liebe leben, Liebe geben, ohne in zerstörerische Abhängigkeiten zu geraten, ohne seine Würde zu verlieren? ... Ganz starke Bilder entstehen da in der Verknappung von Sprache, in der überraschenden Verbindung scheinbar unvereinbarer Bereiche.
Viola Kühn (Trudy)
Makrabre Geschichten über alltäglichen Alltagswahnsinn
„Erzählungen über sinnliche Freuden in mediterranen Gegenden und im Gegensatz dazu über extrem emotionale Schmerzen. Herbe Liebeserfahrungen und Enttäuschungen in Dreiecksbeziehungen. Makabres fesselt wegen undurchsichtiger Verhältnisse und Lebensumstände, nicht ohne Witz. Ein sprechendes Haus bringt Tote zutage. Erinnerungen mischen sich mit alltäglichem Wahnsinn. Geschichten über das Leben mit Männer zum Anfassen und welchen virtuell im Netz. Ein kurzweiliges Buch über merkwürdige Ereignisse in knapper Sprache.“
Sylvia Tornau
AMELIA - Newsletter der Autorinnenvereinigung e. V., August 2015
http://www.autorinnenvereinigung.eu/verein/newsletter-082015.html#c2339
Manche der Erzählungen von Jutta Weber-Bock lesen sich wie die Beschreibungen der Suche nach einem authentischen und guten Lebensgefühl durch Neu- und Wiederentdecken mittels Landschafts- und Lebensmittelgenuss (Feigenküsse). Andere wirken wie Splitter aus dem Gesamtbild Leben, das heute geprägt vom Gestern, angenommen ohne Schuld und Scham (Italienische Verhältnisse, Schwedische Socken). Das bedeutet, wirklich etwas vom Vergangenen gelernt zu haben. Grob gefasst geht es in diesen Erzählungen um das Reisen, das Lieben, das Laufen, es geht um Lebendigkeit, darum dem Leben mehr oder etwas anderes als das Bisherige abzugewinnen, das Leben herausfordern. Das Lesen dieses Buches verführt zum Abtauchen in das (Liebes-)Leben anderer Seelen und jede dieser Geschichte hallt in der eigenen Seele nach.
Jutta Weber-Bock ist eine Autorin, die sich inspirieren lässt von allem Lebendigen, von Genüssen, von Landschaften, von Bedürfnissen und die den verschlungenen, manchmal verworrenen Wegen der Liebe folgt. Sie ist eine die hinschaut und das tut, was eine Autorin im besten Sinne tun sollte: Sie erzählt. Ohne moralischen Zeigefinger, ohne Wertung. Sie überlässt es der Leserin eigene Schlüsse zu ziehen und sie zeigt mit ihren Erzählungen ein wahres Prisma an Beziehungsmöglichkeiten und –unmöglichkeiten. Dabei ist der Tod manchmal die fast logische Konsequenz einer Dreiecksgeschichte (Der letzte Krokus), dann wieder treffen zwei Frauen das Agreement, sich einen Mann zu teilen (Das grüne Jacket). Dabei scheint für die Autorin das für eine Erzählung gewählte Genre (Miniatur, Krimi, Fantasie, Kurzgeschichte) das jeweils geeignete Transportmittel für die Transformation der Inhalte in Stimmung/Gefühl zu sein. Da gibt es bspw. ein zuwendungsbedürftiges Haus, dessen großes Geheimnis aufgedeckt wird und das am Ende beruhigt und befreit aufatmen kann (Das Brunnenhaus). In mehreren Erzählungen gibt es die Protagonistin Marion. Aufgerieben zwischen Hoffen und Bangen bleibt sie sich treu, auch wenn sie dafür in jeder Geschichte vor allem eines tun muss: Laufen. Laufen um das Leben zusammen zu halten, Laufen um sich am Leben zu halten, Laufen um zu spüren, dass sie noch mit beiden Beinen auf dem Boden verhaftet ist, auch wenn das Liebesleben längst die elektronische Flure moderner Kommunikationsmittel entlang hastet (Laufen Leben).
Die Erzählungen von Jutta Weber-Bock entführen teilweise an Traumorte, vorzugsweise mit Mittelmeerflair. Manchmal entführen sie aber auch in den Kopf einer Protagonistin. Eines aber ist all diesen Erzählungen gemein: Aus allen klingt die grummelnde, summende, rauschende Sehnsucht nach Liebe in all ihren Formen, Selbstliebe eingeschlossen. Was diese Erzählungen zusammenhält und sie zu etwas Besonderem macht, ist die große Achtung vor allem Dasein, Hiersein, Sosein und der dem lebendigen immanenten Suche nach dem Anderssein, Bessersein, wieder gut sein – und sei es am Ende auch nur das überaus wertvolle mit sich selbst versöhnt sein.
Meine Empfehlung: Ein leises, ein berührendes Buch für sehnsuchtsvolle Herbstabende bei Kerzenschein und Rotwein.
Jutta Weber-Bock: Electronic Harem. Erzählungen. Schweikert Bonn Verlag. 160 S., 12 €
Literaturzeitschrift Veilchen